Mehrwertsteuersenkung

Zitate aus "Ökologische Finanzreform", Umweltbundesamt

Aus: Ökologische Finanzreform: Produktbezogene Anreize als Treiber umweltfreundlicher Produktions- und Konsumweisen - Reformvorschläge für die Mehrwertsteuer  ▶ Umweltbundesamt/Publikationen ab Seite 90 ff

"Die Mehrwertsteuerbegünstigung sollte mit einer breit angelegten Infokampagne ergänzt werden, um neben den ökonomischen Anreizen auch die Signalwirkung der Förderung zu realisieren. .... Außerdem könnte sich eine symbolische Wirkung entfalten, weil mit der Mehrwertsteuerreduktion Reparaturen Aufmerksamkeit und Wertschätzung erfahren."

"3.3.4   Mögliche Ausgestaltung einer reformierten Mehrwertsteuer-Regelung für Reparaturdienstleistungen

Der reduzierte Mehrwertsteuersatz von 7 % könnte auf Reparaturen der in der EU-MwStSystRL vorgesehen Güter angewendet werden: für Reparatur von Fahrrädern, Schuhen und Lederwaren, Kleidung und Haushaltswäsche. Dies könnte relativ leicht in das etablierte System der Mehrwertsteuer und den bestehenden reduzierten Satz integriert werden. Hierfür müssten in § 12 Abs. 2 UStG sowie in Anlage 2 des UStG entsprechende Ausnahmen aufgenommen werden."

3.3.4 Mögliche Ausgestaltung einer reformierten Mehrwertsteuer-Regelung für Reparaturdienstleistungen Der reduzierte Mehrwertsteuersatz von 7 % könnte auf Reparaturen der in der EU-MwStSystRL vorgesehen Güter angewendet werden: für Reparatur von Fahrrädern, Schuhen und Lederwaren, Kleidung und Haushaltswäsche. Dies könnte relativ leicht in das etablierte System der Mehrwertsteuer und den bestehenden reduzierten Satz integriert werden. Hierfür müssten in § 12 Abs. 2 UStG sowie in Anlage 2 des UStG entsprechende Ausnahmen aufgenommen werden.

Quelle: Umweltbundesamt (FU Berlin auf Grundlage EU KOM, 2019 und Wirtschaftskammer Wien, 2020)
Quelle: Umweltbundesamt (FU Berlin auf Grundlage EU KOM, 2019 und Wirtschaftskammer Wien, 2020)

"Die Lenkungswirkung ist maßgeblich abhängig vom Anteil der weitergegebenen Kostenersparnis der Betriebe...Jedoch kann auch bei ausbleibendem Preiseffekt die Erhöhung der Gewinnspanne für Reparaturbetriebe als politisches Ziel gesehen werden, um dadurch den schrumpfenden Reparatursektor zu fördern"

 

"Mit einer steigenden Nachfrage nach gewerblichen Reparaturen dürfte eine Zunahme dieser verbunden sein, sowie eine Abnahme der Reparaturen in der Schattenwirtschaft, also in Repair Cafés, Eigenreparatur oder Schwarzarbeit."

 

"Auf Grundlage der gesteigerten Umsätze im Reparaturhandwerk für Fahrräder, Schuhe und Lederwaren, Kleidung und Haushaltswäsche in Folge des reduzierten Mehrwertsteuersatzes konnten durch das Hinzuziehen des durchschnittlichen jährlichen Umsatzes pro Beschäftigtem (42.700€) in Reparaturbetrieben die Zunahme der Arbeitsplätze durch die Mehrwertsteuerreduktion errechnet werden. Diese Zunahme beläuft sich für das Beispieljahr auf gut 1.000 Vollzeitstellen (PE100) bzw. gut 500 Vollzeitstellen (PE50). Diese Arbeitsplatzzunahmen würden einmalig anfallen. In Folgejahren würden die Arbeitsplätze erhalten bleiben."

Einer weiteren Studie des Umweltbundesamtes zufolge belief sich die Summe umweltschädlicher Subventionen im Jahre 2018 auf 65,4 Milliarden Euro. Hier werden Dinge – auch von der von Schuhmachern abgeführten Steuern – subventioniert, die der Umwelt, dem Klima und der Erreichung der Klimaziele schaden. 

Der Umsatz aller Schuhreparaturbetriebe beläuft sich auf ca. 115 Mio. Euro. ➡ Umweltbundesamt

Reicht eine Mehrwertsteuersenkung, um Schuhreparaturen attraktiver zu machen?

Nehmen wir einmal an, Sohlen und Absätze mit hochwertigem Material kosten ca. 40,- Euro. Eine Mehrwertsteuersenkung würde den Preis auf 35,95 Euro reduzieren, eine Abschaffung auf 33,60 Euro.

 

Bei Neupreisen von 19,90 Euro ist es mittlerweile wirtschaftlicher, neue Schuhe zu kaufen, statt Schuhe reparieren zu lassen. Zudem kann die Mehrwertsteuersenkung nicht einmal die erfolgten oder anstehenden Preissteigerungen bei Materialien und die Anpassungen der Löhne an die derzeitige Inflationsrate ausgleichen.

-> DIW Bei einer Preissteigerung von nur 3,5% und damit unterhalb der durchschnittlichen Inflationsrate wurden Schuhe ein weiteres Mal günstiger als die Reparatur. Die Wirtschaftlichkeits-Schere geht immer weiter auseinander.

 

 

Der Durchschnittspreis für ein Paar Schuhe lag 2016 bei 78,30 Euro für Herrenschuhe und 66,90 Euro für ein Paar Damschuhen (→ Statista). 

 

Wie es Durchschnittspreise mit sich bringen, liegt der Großteil der Neupreise also (mitunter sogar weit) unter 50,- Euro. Neue Sohlen und Absätze werden somit erst in einem Preisgefüge von etwa 25,- Euro attraktiv.

 

Das ist selbst mit Mehrwertsteuersenkung, billigsten Material und kürzester Arbeitszeit nicht zu schaffen.

 

Hintergrund

  • Mit der Schließung von Filialen,
  • Mitarbeiterreduzierung,
  • rationelleren Arbeitsweisen,
  • ausweichen auf billigeres Material
  • ausweichen auf günstigere Reparaturvarianten
  • "Verschenken" von zusätzlichen Arbeiten
  • technischen Neuerungen,
  • Senkung der Lohnkosten,
  • handwerksfremden Zusatzangeboten wie Schlüsseldienst, Taschen-/Gürtelreparaturen

und immer niedrigeren Reparaturpreisen und Rabattaktionen sind die unternehmerischen Gestaltungsmöglichkeiten zur Senkung der Reparaturpreise im Schuhmacherhandwerk mehr als ausgeschöpft.

 

Bei mehreren Reparaturen am selben Schuh ist es bei vielen Schuhmachern schon lange üblich, eigentlich kostenpflichtige Zusatzarbeiten kostenlos oder wenigstens rabattiert auszuführen, um den Gesamtpreis nicht weiter zu verteuern. Aus Angst, "der Kunde springt ab." Auch dies ist im Endeffekt eine Rabattierung, die den ohnehin niedrigen Stundensatz zusätzlich schmälert. Auf eigene Kosten.

 

In Einzelfällen wird auch die Möglichkeit genutzt, statt der eigentlich indizierten Reparatur eine qualitativ nachteiligere, aber günstigere Reparaturvariante durchzuführen.

 

Die Verarbeitung des teuren Rohmaterials Leder zwang den Schuhmacher auch schon immer zum nachhaltigen Umgang mit Material und Ressourcen. Die Reste der Sohlenreparaturen werden bspw. nicht entsorgt, sondern für Sohlenausbesserungen an der Spitze oder als Unterbau verwendet. Für weitere Sparmaßnahmen ist nicht mehr viel Spielraum gegeben, man kann schlecht auf den Zweitwagen verzichten, wenn man schon gar keinen mehr hat.

 

Dies alles angesichts steigender Ladenmieten und Energiekosten. Und obendrein sind kürzlich die Materialpreise um bis zu 60% gestiegen. Es wird also noch teurer.

 

Aus 5-Mann-Betrieben wurden Soloselbstständige, für die es deutlich schlechter als für die Gesamtwirtschaft läuft (→ Ifo-Institut). Selbstständige bleiben mitunter die Arbeitnehmer- und Arbeitgeberbeiträge für ihre Rentenversicherung, in manchen Fällen sogar für die Krankenversicherung schuldig. 

 

Mit den Marktpreisen für Schuhreparaturen – die von seriös kalkulierten Preisen mitunter weit entfernt sind – ist das Schuhmacherhandwerk gesamtwirtschaftlich schon in der Bedeutungslosigkeit verschwunden, dennoch müssen sie neben der Einkommenssteuer (der fallweise teuersten Unternehmenssteuervariante) auch noch den vollen Umsatzsteuersatz auf Ihre Produkte aufschlagen. 

 

Da viele Reparaturarbeiten wie z. B. Näharbeiten quasi überhaupt keine Materialkosten verursachen, sondern zu nahezu 100% aus anteiliger Ladenmiete, Gemeinkosten und vor allem Lohnkosten bestehen, findet der prinzipiell mögliche Vorsteuerabzug als steuerreduzierende Verrechnungsmöglichkeit bei lohnintensiven Arbeiten gar keine Anwendung. 

 

Vor dem Hintergrund des gesellschaftlichen Benefits und der wirtschaftlich angespannten Lage der verbliebenen Schuhreparaturbetriebe ist eine Reduzierung oder Abschaffung der Mehrwertsteuer auf Reparaturdienstleistungen dringend geboten.

Die einmalige Mehrwertsteuersenkung für den Zeitraum vom 1. Juli 2020 bis zum 31. Dezember 2020 hat die Betriebe spürbar entlastet. Für eine spürbare Belebung des Verkaufs von Schuhreparaturen hat diese – dafür viel zu geringe – Entlastung des Verbrauchers aber nicht gereicht. 

 

Schuhreparaturen lassen sich nicht bewerben. Sie sind ein Bedarfsartikel, der erst bei Schaden am Schuhe nachgefragt wird, und müssen sich dauerhaft und jederzeit wirtschaftlich lohnen.

 

 

✅ finanzielle Stärkung der Betriebe

 

✅ weitere Reduzierung der Reparaturpreise möglich

 

✅ keine Belegaufbewahrung

 

✅ keine Mitarbeit von Handel und Hersteller nötig